Vorhang auf

  Vorhang auf  


Was er an seiner Frau mochte, war ich Talent Leute nachzuahmen. Er mochte es, weil es ihr einen Hauch von Exotik verlieh, der ihn immer wieder in seinen Bann zog. Sie war eine eher fade, unscheinbare Frau. Eigentlich zwanghaft darauf bedacht nicht aufzufallen, um sich von der Mittelmässigkeit schlucken zu lassen. Es war ihr recht so, es war ihm recht so. Niemand störte sich in dem Bestreben farblos und kantenlos zu sein. Von Zeit zu Zeit aber, brach seine Frau aus ihrer kontrollierten Starrheit heraus, um andere Leute nachzuahmen. Ein ungefährliches Unterfangen, distanziert weil es nicht um ihn oder sie ging. Dennoch blieb der Effekt sich köstlich zu amüsieren, über die allzu grossen Zähne des Hausmeisters, oder der geistig minderbemittelten Fräulein Sege von nebenan. Er fühlte sich in der Theatralik seiner Frau lebendig und bunt. Sie wiederum fühlte ich lebendig und bunt, weil sie es schaffte diese Gefühle bei ihrem Mann zu wecken. Dieses Nachahmen anderer Leute schaukelte sich aber immer so sehr auf, dass sie oder er es immer gewaltsam abbrechen mussten. Sie begingen zu streiten über Kleinigkeiten, ob der rechte obere Zahn des Hausmeisters grösser als der linker untere sei. Die Ernsthaftigkeit die dabei Einzug hielt, liess den bunten Theatervorhang fallen. Schnell, lautlos, so als sei er nie dagewesen. Im Schutz des grauen Alltages fühlte er und sie sich wieder sicher. Bis der Vorhang erneut geöffnet wird.



Regula Eugster 2019

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